Oktober

Von der Stärke, Zerbrechlichkeit zu zeigen.

Hier findest du die Audiobeschreibung zum Bild:

 

Wie Stärke und Zerbrechlichkeit zusammenspielen

Diesen Monat soll es um Stärke und Zerbrechlichkeit gehen –  bunt, kreativ und informativ zugleich. Aber kurz mal vorneweg.

Wir sind alle stark. Und wir sind alle verletzlich zugleich.

Für manche von uns gehören ihre Zerbrechlichkeiten und ihre Stärke schon ihr Leben lang und selbstverständlich dazu.
Einige mussten sich ihre Stark-Sein hart erkämpfen. Manche ihr Zerbrechlichkeit-Zulassen-Dürfen.
Andere werden von Erkrankungen oder Behinderungen erst seit kurzen begleitet. Für uns alle ist es etwas, was in der Zukunft liegen könnte. Oder liegen wird.

Wir alle werden früher oder später damit in Berühung kommen:
Unsere Körper, Psyche oder Seele bleiben weder für immer unverändert noch unverletzlich. Auch wenn wir es in unserer Gesellschaft gern ausblenden und an den sozialen Rand drängen: 

Perfekt funktionierende Körper, die alle dieselben Fähigkeiten haben? Sind nicht normal. Diese Vorstellung ist tief in uns verankert und zugleich so ableistisch.

Ableismus heißt: “Gesund-Sein” ist unsere Normalität. Die ableistische Sicht definiert, wer gesund und wer krank ist. Alle die körperlich oder psychisch oder seelisch anders erleben, werden dadurch zu minderwertigen Menschen gemacht.

Aber Leben heißt immer Veränderung. Wir altern alle, wir lernen neu und verlieren Fähigkeiten wieder. Mal ist es ein Unfall oder ein anderes plötzliches und einschneidendes Geschehen. Manchmal entsteht Veränderung schleichend und wir sind lange auf der Suche nach den Ursachen oder dem Verstehen.  

In jeder unserer Erfahrung stark zu bleiben, ist nicht möglich. Das müssen wir auch nicht. Andererseits: Immer nur als schwach oder unfähig angesehen zu werden, ist eine zusätzliche emotionale Belastung. Und so eine Außenperspektive passt oft auch nicht mit dem eigenen Erleben zusammen. Denn: Wie oft entsteht Stärke gerade an den Bruchstellen? An den Übergängen oder in der Zerbrechlichkeit?

Niemand muss nur stark sein. Niemand ist nur zerbrechlich. Zerbrechlichkeit zu zeigen, wird uns allen schwer gemacht. Aber wir sind beides. Mal mehr das Eine, mal mehr das Andere. Wir wollen Stärke und Zerbrechlichkeit zeigen und in beidem gesehen werden.

 

🫧 Stärke und Zerbrechlichkeit: Ein Wimmelbild 🫧

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Eine Person aus unserer Bubble hat ein Wimmelbild gemalt. Das Bild erinnert uns an die Vielfalt unserer Körper-Erfahrungen. Wenn ihr wollt, könnt ihr in dem Bild eine Vorstellung einer “normaleren” Gesellschaft sehen.

Oder wir lassen das einfach gleich ganz bleiben mit der Normalität! Und schauen mehr nach den Bedürfnissen und Fähigkeiten oder den Stärken und den Zerbrechlichkeiten einzelner Menschen.

Mit ein paar aktuellen Zahlen aus dem Sommer 2025 vom Robert-Koch-Institut möchten wir trotzdem nochmal kurz sichtbar machen: Wir haben eine weniger “gesunde” Normalität als uns gern verkauft wird.

53,7% der Erwachsenen in Deutschland leben mit chronischen Gesundheitsproblemen. In Deutschland dominieren zum Beispiel Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Lungenerkrankungen und Depressionen. Kurzfristigere Erkrankungen sind in dieser Statistik nicht inbegriffen. Und jüngere Erwachsene halten den Schnitt niedriger. Schaut man bei Menschen über 65 Jahren, sind schnell  70 Prozent und mehr von mindenstens zwei chronischen Erkrankungen gleichzeitig betroffen.
(2023: “Gesundheitliche Lage älterer und hochaltriger Menschen in Deutschland: Ergebnisse der Studie Gesundheit 65+” in Journal of Health Monitoring 2023 8(3). Herausgegeben von Robert-Koch-Institut, Berlin.)

Und ja, auch das ist nicht für alle gleich verteilt. Diskriminierung spielt auch hier eine Rolle. Von Rassismus, (Bildungs-)Armut, Sexismus, Queerfeindlichkeit oder anderer Diskriminierung betroffene Menschen sind auch häufiger chronisch krank. Wenn man den chronischen, zusätzlichen Stress für unsere Nervensysteme bedenkt, ist das kein Wunder. 

Nichtsdestotrotz: Wir begegnen alle irgendwann einer Lebensrealität von chronischer Krankheit und Behinderung. Ob in uns selbst oder in den Menschen um uns herum. Deswegen sollte das in unserem Verständnis von Leben eigentlich eine Normalität sein, keine Ausnahme.

Wir könnten uns stattdessen als Gesellschaft denken: Man kann sich viel abschauen von chronisch kranken und behinderten Menschen. Denn betroffene Menschen lernen oft über lange Zeiten eine Balance zwischen Stärke und Zerbrechlichkeiten zu finden. 

Langes Intro – Hier kommt nun also das versprochene Wimmelbild:

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Hier findet ihr die Bildbeschreibung zum Wimmelbild.

Ein Wimmelbild. Auf weißem Grund sind mit dünnen schwarzen Linien gezeichnete Strichmenschlein zu sehen. Das Wimmelbild ist gerahmt von Deko-Klebeband mit schwarzen Punkten auf weißem Grund. In der rechten unteren Ecke steht in Großbuchstaben in einem Rechteckt der Satz: Diese Zeichnung beinhaltet eine beispielhafte Aufzählung und ist nicht vollständig!

Die Strichmenschen halten alle jeweils einen Luftballon, in denen unterschiedliche Worte geschrieben stehen. Die Figuren sind alle in unterschiedlichen Positionen zu sehen. Sie stehen, gehen, liegen, sitzen, schieben einen Kinderwagen. Oder sie fahren Fahrrad, Rollstuhl, Heißluftballon oder Roller. Sie sind allein, zu zweit oder in Gruppen. Manche berühren sich, andere nicht. Sie haben Gehhilfen, einen Hund oder einen Langstock als Orientierungshilfe bei sich. Es gibt große und kleine Menschen.
In den Luftballons stehen die Worte:
Lähmungen, Glasknochenkrankheit, Dissoziative Persönlichkeitsstruktur, kognitive Beeinträchtigung, Schlaganfall, chronische Bronchitis, Lungenfibrose, Wachstumsverzögerung, Lernschwierigkeiten, seltene chronische Erkrankungen, Cerebralparese CP, Long Covid, Schwindelanfälle, BingeEating/Bulimie/Anorexie, Neuropathie/Myopathie, Herzerkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen, Mukoviszidose, Hypotonie, Alzheimer, chronische Schmerzen, Hepatitis, Aneurysmen, PMS/PMDS, COPD, Allergien, Krebserkrankungen, Suchterkrankungen, Osteoporose, Migräne, Parkinson, Psychose, Endometriose, Trisomie, Zwänge, chronic fatigue syndrom CFS, Neurodivergenz, Arthritis/Arthrose, Neurodermitis, Taub/Schwerhörig, Panik/Angst, Tourette, Depression, chronischer Tinitus, Asthma, Lipödem, Morbus Cron, Sehschwäche, Schuppenflechte, Asthma bronchiale, PTBS/kPTBS, Diabetes mellitus, Amputiert, ALS, Rheuma, ADS/ADHS, HIV, MS, Blind, Epilepsie, Autismusspektrum, Demenz.

🫧 Stärke und Zerbrechlichkeit: Eine Fotoreihe 🫧

Und noch ein Mensch aus unserer Bubble möchte mit euch kreativ eintauchen in das Gefühl, wie stark es ist, Zerbrechlichkeit zu zeigen. Eine Fotogeschichte in 6 Bildern.

 

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Hier lest ihr die Bildbeschreibung zur Fotoreihe.

6 Fotos in einer Reihe. Mit Schreibschrift und in schwarz geschrieben auf liniertem weißen Papier.

Bild Nr. 1.
Die Überschrift „Zwischen Stärke und Zerbrechlichkeit“ ist mit einer geschwungenen Linie unterstrichen, beide Enden der Linie enden in einem spiralförmigen Kringel. Das restliche Blatt ist leer. Die rechte obere Ecke ist leicht eingerissen. Auf der linken Blattseite sieht man einige Fetzen einer herausgerissenen vorherigen Seite.

Bild Nr. 2.
Dasselbe Blatt Papier mit Überschrift. Unter der Überschrift stehen nun die Zeilen: „Ein leeres Blatt will gefüllt werden. Mit unserer Stärke – und unserer Zerbrechlichkeit. Unsere Stärke ist oft unsichtbar, denn unsere Erfahrungen, unsere Be-hinderungen erfordern oft schon Kraft zum Aufstehen, Duschen, Rausgehen, soziale Kontakte pflegen und so viel mehr. Da sind sie auch schon – unsere Schwächen. Von Außen sichtbar und doch oft im Verborgenen.“ Auf der rechten Seite des Papiers ist eine weiteres Stück herausgerissen. Das herausgerissene Papierstück liegt unter dem Text auf dem Paier. Im oberen Bereich ist das Papier zerknittert.

Bild Nr. 3.
Nochmal dasselbe Blatt Papier. Das herausgerissene Papierschnipsel ist nun wieder in die Lücke am rechten Rand eingeklebt. Es ist mit einem Stück pinkfarbenem Tape befestigt. Auch der Riss in der oberen rechten Ecke ist mit pinkfarbenem Tape geklebt. Unter dem vorherigen Text ist eine weitere Textpassage eingefügt: „Wir sind kein leeres Blatt, waren es auch nie. Doch haben wir Risse und Knicke. Manche kann man glattstreichen, manche nicht. Fehlend Stücke sind nicht leicht zu ersetzen und irgendwie passen sie auch nicht so gut“

Bild Nr. 4. Es folgt eine neure, leere Seite desselben Papiers. Diese Seite ist am linken unteren Rand bis zu ca einem Drittel der Seitenhöhe eingerissen. Die rechte obere Ecke ist ebenfalls zerknittert.

Bild Nr. 5. Vermutlich diesselbe leere Seite. Nun in der Mitte noch etwas mehr zerknittert und mit folgenden Zeilen beschrieben: „Eine neue Seite, aber die Spuren der vorherigen haben sich zum Teil durchgedrückt. Und doch ist Platz für Neues. Drei Menschen, drei Bilder, drei Leben. So verschieden und so viel gemeinsam. Zwisch Freude, Verlust und dem unbändigen Willen entstehen drei Bilder“

Bild Nr. 6. Nochmals diese zweite Seite. In der rechten unteren Ecke sind zwei Risse hinzugekommen, die mit demselben pinken Tape geklebt wurden. Der Riss in der linken unteren Ecke ist unverändert und offen. Eine weitere Textpassage wurde hinzugefügt: „Unsere Körper machen uns schwächer als wir wollen. Andere sehen das, was wir nicht können. Wir sind da, wir sind das „Trotzdem“. Wir sind mehr, als wir selbst uns manchmal zugestehen. Wir sind ganz viel Kraft.“

🫧 Hör-Tipps 🫧

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TYPFRAGE von Paulina Behrendt

Ein Poetry Slam Beitrag von Paulina Behrendt über Leben mit Diabetes. Zwischen Schwierigkeiten, Hoffnung und Kampfgeist.

INK – A POEM ABOUT BEING AUTISTIC von Morgan Harper Nichols

(In Englisch) Ein Gedicht übers Autistisch-Sein. Die ungeschriebenen Regeln des neurotypischen Miteinanders. Übers Anpassen und Maskieren. Und übers Erzählen der eigenen Version der Geschichte.

ZARTCORE von Finna

Finna spricht uns diesen Monat aus der Seele. Queerfeminist Rap übers Soft bleiben und sich verletzlich machen. Und darin nicht alleine sein. Von Stärken und Schwächen. Konkurrenzkampf und Diagnosen. Wir sagens mit Finna: “Komm in meine kleine Welt. Hier ist alles, alles Zartcore. Denn in deiner heilen Welt, kommt mir alles viel zu hart vor.”

DIE MACHT DER VERLETZLICHKEIT von Brené Brown

(In Englisch mit deutschen Untertiteln) TED Talk von Bre Brown übers Sich- Verletzlich-Machen, als Notwendigkeit für unsere zwischenmenschlichen Verbindungen, für Kreativität und Freude im Leben. Über Scham und Angst, die uns im Weg stehen. Brene Brown ist US- amerikanische Autorin und Forscherin im Bereich der Sozialen Arbeit zu den Themen Verletzlichkeit, Scham, Mut, Verbindung und Empathie.